Mittwoch, 5. Januar 2011

Agrigent, vierter Teil

Nachdem ich den dritten Teil des Agrigent-Reiseberichts mit dem Herakles-Tempel beendet habe, kommt nun in westlicher Fortsetzung dieser Tempelreihe der Tempel des olympischen Zeus (Olympieion, Tempio di Giove Olimpico, Jupiter-Tempel).

Für die Topographie der Tempelreihe hatte ich im zweiten Teil Agrigent den Vergleich mit einem linken, mit einem Rock bekleideten Oberschenkel verwendet. Der Vergleich funktioniert vom östlichsten der Tempel, dem Juno-Tempel, bis zum Herakles-Tempel ganz gut, weil da das Gelände nach Süden abrupt und nach Norden (Richtung rechter Oberschenkel) sachte absteigt. In der Fortsetzung gibt es zwar weiterhin das abrupte Abfallen des Geländes nach Süden, das oben liegende Gelände wird aber flächiger. Das kann man schon am Foto von dem Parkplatz unterhalb des Herakles-Tempels im zweiten Teil sehen. An diesen Parkplatz schließt sich links das Gelände mit dem Olympieion an.

Bild 1 Blick vom Tempel des olympischen Zeus hinüber zum Herakles-Tempel

Über den Tempel des olympischen Zeus schreibt der schon im letzten Teil zitierte, vor Ort gekaufte Führer: „Dieses gigantische Monument stellt in seinen Ausmaßen wie in seiner architektonischen Form ein wahres Rätsel dar“. Es soll der größte je gebaute dorische Tempel gewesen sein, der aber bei der Eroberung von Akragas durch die Karthager 406 v. Chr. noch nicht vollendet war.

Mir fehlt der Hintergrund auf welchen Grundlagen die einzelnen Aussagen in den Führern und in der Wikipedia gemacht sind. Ich vermute aber, daß die Aussagen sehr unterschiedlich belastungsfähig sind.

Bild 2 Kapitell und Steine vom Tempel des olympischen Zeus Agrigent

Sicher werden wohl die Abmessungen der Bodenfläche sein. Besonderheiten wie die durch eine Mauer verbundenen Pseudosäulen und die Telamone werden auch immer wieder angeführt. Auch die Widmung des Tempels scheint durch antike Autoren gesichert zu sein. Irgendwo wird dann aber die Spekulation beginnen, man sollte das einleitende Stichwort „Rätsel“ im Hinterkopf behalten.

Bild 3 Nachgebildeter Telamon vom Olympieion Agrigent

Begünstigt wird die Unsicherheit wohl zum einen durch die Besonderheiten, wodurch man schlecht woanders Erforschtes übertragen kann. Zum anderen durch die Verwendung von relativ kleinen Steinen für den Riesenbau, bspw. wurden die Halb- bzw. Pseudosäulen aus fächerartig angeordneten Steinen errichtet. Die kleineren Steine ermöglichten die Wiederverwendung an anderer Stelle, d.h. viele Steine sind weg, außerdem wird man den verbliebenen vermutlich schwerer den Verwendungszweck ansehen.

Bild 4 Telamon vom Olympieion im archäologischen Museum Agrigent

Als Ergebnis klingt manches bei dem einen etwas gewisser, was bei anderen nur eine Vermutung ist. Etwa die Aussage in der Wikipedia, daß wegen den geschlossenen Zwischenräumen zwischen den Säulen nur die Ringhalle ein Dach hatte und die Cella nach oben offen war. Das im Wikipedia-Abschnitt über den Tempel verlinkte Modell basiert nach meinem vor Ort gekauftem Führer auch nur auf einer von zahlreichen Theorien über das Aussehen des Tempels.

Bei den 7,65 m hohen Telamonen (bzw. Atlanten/Giganten) erwähnt die Wikipedia die „karthagischen Züge“, diese Interpretation findet sich auch im Kommentar von Peter Burket zum ersten Teil Agrigent. Mein vor Ort gekaufter Führer erwähnt dies überhaupt nicht, und mir erscheint es nicht so plausibel.

Bild 5 Blick vom Olympieion-Gelände zur Dioskurentempeleckenrekonstruktion

Zwar fand die Geld und Sklaven für den Tempelbau liefernde Schlacht von Himera im selben Jahr wie die Schlacht von Salamis gegen die Perser statt, was für eine irgendwie geartete Inszenierung als den Mutterlands-Griechen gleichwertige Verteidiger der griechischen Kultur spricht. Aber an der Schlacht waren verschiedenste Völkerschaften auf Seiten der Karthager beteiligt - es ist schwer zu glauben, daß von diesen Kriegsgefangenen gerade die Karthager als Sklaven übrig geblieben sind. Und wie kann man deren „karthagische Züge“ von den anderen Völkerschaften abgrenzen? Schließlich sollen die politischen Veränderungen nach der Schlacht anscheinend nicht so gravierend gewesen sein, als daß so ein demütigendes Nachtreten dazu passen würde.

Bild 6 Aufnahme Dioskurentempel in Richtung Norden

Fragen über Fragen - und mein Überblick vor Ort war auch nicht besser. Also etwa was in diesen geordneten und ungeordneten Ansammlungen von Steinen mit der Lage des Tempels und was mit den im Führer erwähnten „Überbleibseln des monumentalen Altars“ und der „interessanten Ausgrabungsstätte mit der unteren Agora (Marktplatz)“ zu tun hatte.

Das häufig abgebildete Kapitell in Bild 2 und die Telamon-Nachbildung in Bild 3 waren aber schnell zu finden. Bild 1 zeigt einen Blick vom Gelände hinüber zum Herakles-Tempel. Bild 4 zum Größenvergleich den echten Telamon im Museum.

Bild 7 Giardino della Kolymbetra

Bild 5 zeigt den Bereich westlich des Tempels des olympischen Zeus mit der rekonstruierten Ecke des Dioskurentempels (Tempio di Castore e Polluce, Tempel von Castor und Pollux). Der Name steht auf ähnlich schwacher Grundlage wie beim Concordia- und beim Juno-Tempel, er wird ganz anders zugeordnet gewesen sein. Wie in der Wikipedia beschrieben gilt die Rekonstruktion als ein Wahrzeichen des heutigen Agrigento, obwohl die Rekonstruktion selbst umstritten ist.

Bild 8 Garten von Kolymbetra

Im Bereich des Dioskuren-Tempels finden sich Überreste des Heiligtums der chthonischen Gottheiten (bzw. Erdgötter). Es soll eines der wichtigsten Heiligtümer von Akragas gewesen sein, die Griechen haben diesen Platz von einheimischen Bewohnern übernommen. Diesen Erdgöttern wurde nicht wie im Zusammenhang mit dem Altar des Juno-Tempels im dritten Teil Agrigent beschrieben durch Verbrennen auf großen Altären geopfert, sondern es gab Vertiefungen, in die das Blut der Opfertiere laufen konnte.

Rechts des Dioskuren-Tempels ist in Bild 5 so ein Altar zu erkennen. Eine Aufnahme dieses Altars ist in der Wikipedia zu finden. Ich habe da beim Fotografieren gepatzt, unsere Bilder sind sogar mit dem Dioskurentempel im Hintergrund des Altars aufgenommen, aber alle mit mir an unpassender Altar-Stelle, die rücke ich nicht heraus.

Bild 9 Auffahrt westliches Südtor Akragas

Bei der Baumreihe in Bild 5 im Hintergrund von Altar und Dioskurentempel geht es abwärts. Auf der anderen Seite dieses Einschnittes in die Felsplatte, jenseits der sichtbaren Bahnlinie, sollten sich direkt an der Bahnlinie nach meinem Führer die die Reste des Vulkan- bzw. Hephaistos-Tempels befinden, an den wir nicht herangekommen sind. Die heutige Benennung führt der Führer auf eine in der Nähe befindliche Schwefelquelle zurück.

Bild 10 Auffahrt westliches Südtor Akragas

In dem kleinen Tal dazwischen ist heute der Garten von Kolymbetra (Giardino della Kolymbetra) angelegt. Nach der Schlacht von Himera soll ein unterirdisches Wassersammelsystem gebaut worden und daraus gespeist hier ein See entstanden sein. In Bild 6 sind im Hintergrund Schilder zu erkennen, einer davon ist der von Bild 7, dort führt ein Pfad hinunter. Bild 9 zeigt die Reste einer Auffahrt bei dem in der Nähe des Dioskurentempels gelegenen Stadttor. Das ist nicht mit dem im zweiten Teil erwähnten Haupttor beim Herakles-Tempel zu verwechseln, dessen Auffahrt heute vertieft und erweitert durch eine Straße genutzt wird.

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