Freitag, 2. März 2012

Wissenschaftsblogs

Jetzt lasse ich mich noch einmal von vorherigen Einträgen treiben. Nach den Einträgen zu meiner Blogsoftware und zu den Museumsblogs kommt jetzt einer über Wissenschaftsblogs.

Allgemein zum Blog-Thema noch ein Nachtrag zu den Museumsblogs. Im Blog der Münchner Residenz ruft Tanja Praske zu einer Blog-Parade auf. Man darf auf schöne Beispiele weiterer Museumsblogs hoffen. Ich bin ja fast nicht auf Beispiele eingegangen, allerdings gibt es auch ziemlich wenige deutschsprachige Museumsblogs zum Zeitraum graue Vorzeit bis Spätantike. Die Blog-Parade geht noch bis zum 23.03.2012, danach gibt es im Residenz-Blog einen abschließenden Eintrag.

Bei der Gelegenheit seien die auch die virtuellen Rundgänge in der Schlossanlage Schleißheim erwähnt: „Qualitativ hochwertige 360 Grad-Aufnahmen bieten einen phantastischen Einblick in die Bauwerke der Schlossanlage Schleißheim. Bewegen Sie sich mühelos durch die Säle und Zimmerfluchten des Neuen Schlosses, besichtigen Sie Schloss Lustheim oder wandeln Sie durch den barocken Schlossgarten.“ Den Link dazu habe ich via dem Twitter-Account von Tanja Praske mitbekommen - das wäre ein Beispiel für die im letzten Blog-Eintrag erwähnte „Awareness“ und das Bekanntmachen via anderen Niederlassungen.

Und wer viele dieser Museumsleute nicht nur virtuell treffen will und/oder sich sehr für Museen/Kultur und Web 2.0/Social Media interessiert, dem bietet sich am 20. und 21. April 2012 die „aufbruch“-Tagung und das stARTCamp in der Alten Münze und im Alten Hof in München an.

Anlaß noch speziell auf die Wissenschaftsblogs einzugehen ist der Telepolis-Artikel „Bloggen für die Wissenschaft“. Der Artikel ist ein kleiner Anlaß, denn vieles daraus kennt man in der einen oder anderen Form schon und wird in irgendeiner Form irgendwann wieder diskutiert. Der im Interview befragte Professor für Wissenschaftsjournalismus Holger Wormer spricht das
indirekt bei der Antwort auf die Frage nach Wissenschaftlern an, „deren Karriere einen Knacks bekommen hat, weil sie sich an die Öffentlichkeit gewandt haben“: „Die Frage wurde schon vor 20, 30 Jahren gerne aufgeworfen und damals hatte sie sicherlich ihre Berechtigung...“.

Aber diese Problematik ist offensichtlich ein Dauerbrenner. Etwas unverständlich für „die Öffentlichkeit“ - warum sollten Wissenschaftler sich nicht an uns wenden dürfen? Ich glaube, man kann diese Problematik auch im Zusammenhang mit Museen/Museumsblogs wiederfinden, und da wird es noch unverständlicher. Prof. Holger Wormer spricht davon, daß Wissenschaftler in vielen mit Drittmitteln finanzierten Projekten sogar verpflichtet werden, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse einem breiten Publikum vorzustellen. Für Museen müßte dieses Interesse am breiten Publikum eigentlich selbstverständlich sein. Ich glaube der Konflikt wird dann gut von außen sichtbar, wenn Forschung und Museum unter einem Dach vereint sind. Früher hätte ich nicht gedacht, wie in solchen Fällen der Aufwand für Mitteilungen an das breite Publikum und der Aufwand für Fachpublikationen auseinanderklaffen kann.

Leider scheint ein niedriges Interesse an Mitteilungen für das breite Publikum oft mit geringem Interesse für Open Access einher zu gehen. Obwohl das eine tolle und zeitgemäße Sache ist - der Wissenschaftsblogger kann seine wissenschaftliche Publikation im Blog verlinken. Ein Museumsblog hätte den Zusatzvorteil, daß damit ein Ausstellungsstück oder eine ganze Ausstellung vertieft erläutert und aufgewertet werden kann. Daß die „mühevolle und kompetente Arbeit in großen und kleinen Verlagen“, die Prof. Uwe Walter in diesem Chatprotokoll von „Wikipedia trifft Geschichtswissenschaft“ erwähnt, irgendwie entlohnt werden muß, halte ich für stichhaltig. Aber es muß heutzutage nicht mehr die teuere Buchform oder die gedruckte Zeitschrift sein. Insbesonders wenn selbst Studenten nach fachübergreifenden Aussagen empfohlene Literatur in Buchform immer weniger lesen.

Kostenlos sollte Open Access nicht sein, da müßte es faire Lösungen für die Plattformbetreiber geben. Aber wenn die Forschung mit Steuergeldern bezahlt wird und online verfügbar gemacht werden muß, dann könnte man das auch noch mit Steuergeldern bezahlen und die Publikation für alle frei verfügbar machen. Das ist wohl oft noch Wunschdenken. Wer sich für ein aktuelles Gegenbild dazu interessiert, das sich richtig unschön aus den Denkweisen der alten Zeit entwickelt hat, der mag hier im Blog-Eintrag „Boykottiert Elsevier! Ich boykottiere Elsevier!“ von Prof. Günter M. Ziegler weiterlesen oder bei Telepolis nach „Elsevier“ suchen.

Ein Publikationsproblem gibt es auch bei der „Gesellschaft für Archäologie und Geschichte - Oberes Würmtal“. Die Süddeutsche berichtete, daß sich die Hoffnung auf neue Räume in Gauting zerschlagen hat. Bei der Gelegenheit wird erwähnt, daß Sponsoren für die wissenschaftlichen Publikationen fehlen. Dreht es sich nur um Druckkostenzuschüsse? Wenn man ohnehin keinen Gewinn mit den Publikationen macht, dann könnte man die ja auch kostenlos in das Netz stellen. Und für diejenigen, die ein richtiges Buch wollen, irgendeine Book-on-Demand-Lösung zum Selbstkostenpreis anbieten. Ich würde auf die Publikation inklusive Sponsor hinweisen, wenn mir dann jemand vom Verein einen Hinweis schickt! Vielleicht machen andere Bloggerinnen und Blogger mit, dann wäre das sogar ein Zusatzargument für die Sponsoren.

Den Verein hatte ich übrigens schon anläßlich der Villa rustica Leutstetten erwähnt. Ich glaubte, daß der Verein dort die Führungen veranstaltet, so wie das jetzt auch im Artikel steht, habe das aber auf dessen Website nicht gefunden und deshalb die „unterstützt“-Formulierung aus dem pdf der Stadt Starnberg übernommen.

Zurück zu den Wissenschaftsblogs. Der Wissenschaftsschaftsbetrieb ist ja hierarchisch strukturiert. Man suche da im verlinkten Text die Stelle, wo Prof. Holger Wormer formuliert, daß man sich in einem intakten Team abstimmen sollte. Ich habe aus einem Gespräch über Urheberrechtsfragen die Erinnerung, daß die Professoren gern die grundlegenden Ideen für sich reklamieren. Ich weiß nicht, in welcher Form solche Probleme in Teams von Altertumswissenschaftlern auftreten. Irgendjemand bloggt immer unautorisiert mit dem Smartphone von der Ausgrabung, wenn etwas gefunden wurde. Wäre lustig. Aber ich könnte mir vorstellen, daß bei es bei Teams günstiger ist, wenn der oder die Leitende bloggt oder ein Wissenschaftsblogger autorisiert eine Stellvertreterrolle für das Team einnimmt.

Die Blogosphäre ist nicht gut geeignet, die hierarchische Struktur des Wissenschaftsbetriebs abzubilden. Zwei Historiker können nebeneinander her bloggen, der eine ist im Netz gut sichtbar, spielt aber im Wissenschaftsbetrieb keine Rolle. Bei dem anderen ist das gerade umgekehrt. Eine andere Sache ist die, daß die Wissenschaftler, die im Netz in Erscheinung treten, bislang nur einen sehr kleinen Anteil darstellen. Beides macht die Antwort von Prof. Walter auf die Frage nach der wissenschaftlichen Kommunikation im Netz verständlich: „kann ... für die mir bekannten Formate nicht erkennen, dass hier eine wissenschaftliche Kommunikation im engeren Sinne stattfindet...“. Die „wissenschaftliche Kommunikation im engeren Sinne“ mögen die Wissenschaftler unter sich aushandeln. Das breite Publikum sollte sich über mehr Wissenschaftsvermittlung freuen, und da stört die Sorge der Wissenschaftler um einen möglichen Karriereknacks nur.

Anderer Meinung als Prof. Walter bin ich bei der Kommentarfunktion. Das mit den „Meinungsejakulationen“ halte ich für ziemlich daneben gegriffen. Bei den Online-Ablegern mancher Zeitungen scheint es wirklich so zu sein, daß es Leser gibt, die querbeet in so einem Sinne alles durchkommentieren und dabei auch so herbe Sachen online gestellt werden, die der normale Blogger sofort löschen würde. Aber nach eigener Erfahrung sieht es eher so aus, daß es zwar einerseits einen mit möglichst wenig Aufwand erstellten Spam gibt, anderseits aber in die meisten ernsthaften Kommentare Lesezeit, Nachdenken und Tippzeit investiert worden ist. Solche Kommentare sind bezogen auf die Anzahl der Blog-Zugriffe ziemlich selten, ich bin darauf im Eintrag über das Memoro-Projekt eingegangen. Die Kommentare sollte man wertschätzen. Prof. Walter müßte das wissen, seine Kommentarquote ist trotz Bekanntheit als Professor und der FAZ im Rücken nicht so besonders.

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